Die MLS und das Stimmungsproblem

by dieschlechtestengeschichten

Plötzlich knallt es laut, ein paar bunte Raketen und Rauch steigen auf dem Rasen der Red Bull Arena in Harrison bei New York auf und zu “Sabotage” von den Beastie Boys laufen die New York Red Bulls und D.C. United zum ersten Spiel der neuen Saison ein. Auf den Rängen bleibt es jedoch leise.

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Die Major League Soccer, die höchste nordamerikanische Spielklasse, hat ein Stimmungsproblem. Das wird nicht nur durch die vereinseigene Pyroshow, die in jedem deutschen Stadion als eine absurde Idee abgetan worden wäre, in der MLS zum Anheizen der Fans allerdings sehr üblich ist – sondern auch vor allem durch die leeren Ränge in der Red Bull-Arena deutlich. Zum ersten Heimspiel der Saison gegen den direkten Konkurrenten aus Washington bleibt der Fanblock erstaunlich leer und vor dem Stadion bieten die Händler die Tickets, die sonst mindestens 30 Dollar kosten würden, für nicht mal mehr 10 Dollar an.

Und das, obwohl gerade die NY Red Bulls eigentlich eine Ausnahme in der Liga darstellen. Als die Metrostars, der ursprüngliche Name des Teams, vor neun Jahren Jahren an den österreichischen Brausehersteller Red Bull verkauft wurde, gingen die größten SupporteDSC05997rgruppen Viking  Army, Empire Supporters und Garden State Ultras den ungewöhnlichen Weg und folgten dem Team auch unter neuen Namen – Schwenkfahnen und Doppelhalter wurden den neuen Vereinsfarben teilweise angepasst. Die kritischen Positionen, die Ultras im europäischen Fußball charakterisieren, haben die Supportgruppen aufgegeben. Zwar gibt es beim Spiel ein Spruchband zur Entlassung von Vereinsurgestein Mike Petke, an die großen Themen wie Kommerzialisierung und Verbandspolitik trauen sich die Fans aber schon lange nicht mehr heran.

Und dabei wäre Kritik an der Major Soccer League durchaus angebracht. Das Ligensystem ist nicht mit dem der europäischen Ligen zu vergleichen. So entscheidet etwa nicht das sportliche Abschneiden über den Klassenerhalt, sondern das Geld. Mit den CD Chivas USA wurde vor der Saison ein Verein nicht nur aus der Liga verbannt, sondern von der MLS-Führung vollständig aufgelöst. Die Spieler, die ihre Verträge in den meisten Fällen beim Verband selbst haben, wurden an die übrigen Vereine verlost. Die Chivas waren der Versuch, in der Westküstenmetropole Los Angeles ein zweites Team neben den erfolgreichen LA Galaxy aufzubauen. Die Vereinsgründer hatten vor allem die große mexikanische Community in Los Angeles als potentielle Fans im Blick, doch diese verfolgten lieber die Spiele der mexikanischen Liga MX im Fernsehen. Schlussendlich wurde das Projekt Chivas USA trotz sportlichen Erfolgs vom Verband eingestampft. Mit dem Versprechen, 2017 erneut den Versuch zu starten, einen Konkurrenten zu LA Galaxy aufzubauen.

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Am Beispiel New York zeigt sich jedoch, wie erfolgreich die merkwürdig anmutende Politik der MLS sein kann. Spätestens seit dem Umzug in die Arena in Harrison, einem klassischen  Arbeitervorort von New York, sprechen die NY Red Bulls viele Menschen Mittel- und Südamerikanischer Herkunft an. Diese leben meist in den Satellitenstädten New Jerseys, die von Industrie und der nähe zur Metropole New York leben. Mit dem Image als Verein der spanischsprachigen Bewohner_innen spielen die NY Red Bulls schon länger, alle Ansagen im Stadion werden auch auf spanisch gemacht und die Bullen sind nicht mehr hauptsächlich das Symbol des österreichischen Investors, sondern stehen für die zweifelhafte Tradition des lateinamerikanischen Stierkampfes. Das Konzept geht auf und soll in New York mit dem New York City FC einen Konkurrenten geben. Die Zielgruppe des Franchises von Manchester City-Besitzer Al Mubarak ist die wohlhabendere Stadtbevölkerung aus Manhattan. Werbung für den Verein findet man hauptsächlich dort und auch das Stadion das gebaut werden soll, darf sich nach Meinung des Besitzers auf keinen Fall außerhalb der Stadtgrenzen von New York befinden.

Durch das Hinzufügen und Entfernen von Fußballvereinen fällt es den Fans logischerweise schwer, eine intensive Bindung zum Verein aufzubauen. Starke Fanszenen, die sich auch mit europäischen Vereinen messen können, findet man nur bei Vereinen wie Impact de Montréal* oder den Portland Timbers, die schon vor der Teilnahme an der MLS in semiprofessionellen Ligen gespielt haben.

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Das Spiel der New York Bulls endet an diesem Nachmittag mit 2:0, DC United erlaubt sich ein paar Fehler zu viel und kommt Offensiv nicht richtig in Schwung. Die meisten Zuschauer_innen verlassen das Stadion jedoch vor dem Abpfiff, entweder um noch einen Platz in einem der New Yorker Vorortzüge zu erkämpfen, oder vielleicht einfach, weil es ihrer Meinung nach dem 2:0 nicht mehr viel zu feiern gibt. Als die Teams sich schließlich bei ihren Fans bedanken wollen, sind davon nicht mehr allzu viele im Stadion.

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*Einen kleinen Bericht zum Spiel Impact de Montréal – CF Pachuca, auf dem auch kurz auf die Montréaler Fanszene eingegangen wird, findet sich im aktuellen Transparent Magazin